Immobilienwirtschaft im Gespräch: Nachbericht zum Immobilien-Fachseminar der Deutschen Immobilien-Akademie (DIA)
53. Freiburger Immobilien-Fachseminar der Deutschen Immobilien-Akademie (DIA) an der Universität Freiburg
Aktuelle Themen und lebhafte Diskussionen bestimmten zwei Tage lang das 53. Freiburger Immobilien-Fachseminar der DIA. Antworten gab es auf die Fragen wie umgehen mit Eigenheimen der 1950er bis 1970er Jahre, welche Faktoren bestimmen die Entwicklung der Immobilienpreisen bis 2060, wie sieht das Marktverhalten und die Performance deutscher Wohnungsunternehmen aus, welche Trends und Treiber bestimmen den Gesundheitsimmobilienmarkt und sind ESG-Kriterien ein Wettbewerbsfaktor für Investorenentscheidungen. Im Bereich Immobilienbewertung drehten sich die Fragestellungen um die sachgerechte Ermittlung von Marktwerten älterer Fertighäuser, die Berücksichtigung von Altlasten und Gebäudeschadstoffen und die notwendigen Anpassungen der Gutachten an die neue Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV). Rund 200 Teilnehmende informierten sich, über aktuelle Entwicklungen und Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis.
Eigenheime der 1950er bis 1970er Jahre – Perspektiven des Bestandes
„Eigenheime der Nachkriegszeit sind gekennzeichnet durch ausbleibende Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die heraufziehende Gefahr einer ungelösten Nachfolgethematik im Zuge des demografischen Wandels sowie regional-räumliche Verschiebungen bis hin zur Peripherisierung“, erläuterte Bernd Hallenberg, Seniorwissenschaftler beim Berliner vhw Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung. Ältere Ein- und Zweifamilienhäuser der Baujahre 1949 bis 1978 leisteten auch zu Beginn der 2020er Jahre einen erheblichen Beitrag zur Wohnungsversorgung in Deutschland. Die etwa 6,3 Millionen bewohnten Wohnungen dieses Segmentes stellten 2018 gut 17 Prozent des Gesamtwohnungsbestandes und über 36 Prozent des Wohnungsbestandes in Ein- und Zweifamilienhäusern. Nachteile wie ungünstige Lageeigenschaften, bauliche oder energetische Mängel sowie Imageprobleme könnten sich jedoch zu gravierenden Problemkomplexen potenzieren. Im Zuge des Generationenwechsels stehe eine beständig wachsende Zahl dieser Bestandsgebäude zum Verkauf und treffe dabei auf einen sich verändernden und regional ausdifferenzierten Wohnungsmarkt. Eine gemeinsam mit dem Heidelberger Sinus-Institut durchgeführte Befragung der Eigentümer dieses Wohnungssegments habe gezeigt, dass mehr als jeder dritte Befragte die Auffassung vertrete, dass das Eigenheim nicht den aktuellen und künftigen Bedürfnissen und Anforderungen entspreche. Dennoch sehe gut die Hälfte der Befragten (52,7 %) keine Notwendigkeit für einen bedarfsgerechten Umbau beziehungsweise eine entsprechende Modernisierung des Hauses. Mit Blick auf die Anzahl der jeweils durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen sei deutlich geworden, dass ein Viertel der Befragten in den vergangenen 20 Jahren Dach, Wärmedämmung, Heizanlage und Fenster energetisch saniert, 55 Prozent immerhin zwei oder drei der Maßnahmen umgesetzt hätten. Lediglich ein geringer Anteil von sieben Prozent habe bislang in keine der genannten Bereiche investiert und zehre daher von der Substanz des Eigenheimes. Problematisch gestalte sich die Bezahlbarkeit der notwendigen Modernisierungen und Sanierungen. Gut die Hälfte (54 %) der Befragten ginge davon aus, die notwendigen finanziellen Mittel nur zum Teil aufbringen zu können, fast jeder Achte meine, sich erforderliche Modernisierungsmaßnahmen nicht leisten zu können. Das Verhältnis zu den Nachbarn sei durchweg stabil, häufige Kontakte bestünden in allen Strukturräumen. Bei der Versorgungslage und ihren Perspektiven bestehe ein Gefälle zu Lasten der (sehr) peripheren Gebiete. Von den Befragten wollten 90 Prozent in der Immobilie verbleiben und diese an Kinder oder andere Verwandte weitergeben – wenngleich nur eine Minderheit potenzieller Erben zu Selbstnutzern werden wolle. Die Wertvorstellungen der meisten Befragten seien durchaus realistisch und lägen im Median über alle Strukturräume bei 1.660 Euro, in den peripheren Gebieten etwas geringer bei etwa 1.530 Euro pro Quadratmeter. Die Marktaussichten für ältere Eigenheime hingen von einer ganzen Reihe von Faktoren ab, deren potenzielle Wirkungen uneinheitlich oder sogar gegenläufig einzuschätzen seien. Chance bestünden vor allem dort, wo der Abstand zwischen Neubau und Bestandshäusern besonders groß sei, da hier auch weniger leistungsfähige Nachfrager die Möglichkeit zur Umsetzung ihrer Eigentumswünsche erhielten. Hinzu kämen fehlende Anlagealternativen, eine gestiegene Attraktivität ländlichen Wohnens und der Effekt neuer Arbeitsformen. Allerdings gelte es die fallweise hohen Modernisierungskosten zu berücksichtigen, die den Preisvorteil erheblich relativieren könnten. Insgesamt blieben die Marktchancen für ältere Eigenheime im Rahmen des Vererbungsgeschehens diffus - Chancen, Unwägbarkeiten und Risiken hielten sich weitgehend die Waage.
[Bernd Hallenberg, Dr. Jan Linsin, Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen]
Marktverhalten und Performance deutscher Wohnungsunternehmen
„Steigende Mieten in Großstädten finden in den öffentlichen Diskussionen schnell einen Schuldigen: Die privaten Anbieter des Mietwohnungsbestandes, vor allem in Form börsennotierter Wohnungsgesellschaften“, führte Professor Heinz Rehkugler, wissenschaftlicher Leiter am Freiburger Center for Real Estate Studies (CRES), aus. Um den Wahrheitsgehalt dieser Einschätzungen zu überprüfen, habe er gemeinsam mit dem ehemaligen Doktoranten Dr. Andreas Filser die Performance und das Marktverhalten öffentlicher, genossenschaftlicher und privater Wohnungsunternehmen analysiert. Die Ergebnisse zeigten, dass börsennotierte Wohnungsgesellschaften wie Vonovia, Deutsche Wohnen, TAG und LEG Immobilien ihren Aktionären je nach Eintritts- und Austrittszeitpunkt kräftige Gewinne beschert hätten. So habe die jährliche Durchschnittsrendite bei Vonovia zwischen 2013 und 2019 knapp 21 Prozent betragen. „Börsennotierte Wohnungsunternehmen erwirtschafteten höhere Gewinne und Renditen als Genossenschaften und öffentliche Wohnungsunternehmen. Eine Ausbeutung der Mieter als Grund dieser Erfolge konnte jedoch recht schnell ausgeschlossen werden“, so Professor Rehkugler. Ein sehr großer Teil der höheren Gewinne basiere auf unrealisierten Wertzuwächsen, seien also der unterschiedlichen Rechnungslegung von Handelsgesetzbuch (HGB) und den International Financial Reporting Standards (IFRS) geschuldet. Ein systematischer Unterschied bei den Kapitalrenditen zwischen gewinnorientierten und gemeinwirtschaftlich agierenden Wohnungsunternehmen sei nicht nachweisbar.
Im operativen Ergebnis zeigten sich leichte Vorteile und vor allem eine stärkere Dynamik der Privaten, die sich durch eine etwas stärkere Steigerung der Mieten, einen stärkeren Leerstandsabbau und Effizienzvorteile bei den Bewirtschaftungskosten bei den sehr großen Unternehmen erklären ließen. Das höchste Mietniveau verzeichneten im Jahr 2019 kirchliche, private und Börsen-Unternehmen, die stärksten Steigerungen seit 2013 private Wohnungs- und Börsenunternehmen. Die Finanzmarktsituation habe allen Unternehmen bei der Reduzierung ihres Kreditsatzes geholfen, allerdings zeigten sich die Auswirkungen aufgrund der Rechnungslegung bei Unternehmen, die nach IFRS bilanzierten, stärker. Private, insbesondere börsennotierte Unternehmen schütteten einen hohen Teil ihres Cashflows aus und seien daher stärker auf externe Finanzierungen angewiesen. Auf einen Zinsanstieg reagiere ihr operativer Cashflow daher mit einem deutlich stärkeren Einbruch als bei den anderen Eigentümergruppen.
Die Zukunft werde im Hinblick auf Belastungen durch höhere Zinsen und Verpflichtungen zu Klimaschutzinvestitionen vermutlich weniger rosig aussehen. „Der politische Bedarf und die mögliche Wirkung einer ‚Zähmung‘ der Privaten zur Verhinderung von ;Ausbeutung‘ der Mieter bis zur Enteignung dürfte sich in Grenzen halten“, so das Fazit von Professor Rehkugler.
Prognose der Bevölkerungsentwicklung, Haushaltszahlen und Immobilienpreise bis 2060
„Im Hinblick auf die Demografie gelten weiterhin die bereits bekannten Faktoren: Deutschland schrumpft und altert“, stellte Professor Dr. Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und DIA-Gesamtstudienleiter, fest. Daran ändere auch die Corona-Pandemie nichts. Die Nachfrage nach Wohnraum basiere jedoch auf Anzahl und Struktur der Haushalte, nicht auf der Zahl der Köpfe. Der Trend zur Versingelung, die längere Lebenszeit, Remanenz-Effekte und die Veränderung der Arbeitswelten stärkten die Nachfrage. „Bis 2060 zählen wir in jedem Jahr mehr Haushalte als heute und verzeichnen daher nie wieder eine so geringen Nachfrage wie heute“, stellte Professor Raffelhüschen fest. Allerdings differiere die Nachfrage in den unterschiedlichen Regionen – zum Teil deutlich. Das Angebot sei zwar in den vergangenen Jahren gestiegen, habe den Nachfrageüberhang aber, zumindest in den nachgefragten Gebieten, nicht befriedigen können. Auch die Mär von extrem stark gestiegenen Wohnungspreisen halte einer empirischen Analyse nicht stand. Zwar seien die nominalen Wohnungspreise seit 1970 gestiegen, die realen Wohnimmobilienpreise verhielten sich allerdings deutlich volatiler. Nach einem deutlichen Preisrückgang zwischen 1995 und 2008, seien sie ab 2010 wieder gestiegen, lägen aber immer noch deutlich unter dem Niveau Anfang der 1980er Jahre. Die Erschwinglichkeit von Immobilien habe sich zudem seit Anfang der 1980er Jahre stark erhöht. „Auch die demografische Entwicklung wird zu keinem massiven Preisverfall am Immobilienmarkt führen“, so die Prognose von Professor Raffelhüschen. Unsinnig sei auch die häufig kolportierte These, steigende Immobilienpreise ließen die Mieten explodieren. Freiburg sei mit einem Anteil der Wohnkosten am Nettoeinkommen von 31,4 Prozent die teuerste Stadt Deutschlands. Der Durchschnittsmieter wende in Deutschland heute lediglich ein Fünftel seines Nettoeinkommens für die Miete auf.
Trends und Treiber auf dem deutschen Gesundheitsimmobilienmarkt
“Im Jahr 2021 verzeichnete der Gesundheitsimmobilienmarkt in Deutschland ein Transaktionsvolumen von 3,76 Milliarden Euro“, berichtete Dr. Jan Linsin, Head of Research Germany von CBRE. Gesundheitsimmobilien umfassten ein Portfolio unterschiedlichster Kategorien. Mit 410,8 Milliarden Euro habe 2019 das Marktvolumen der Gesundheitsausgaben 11,9 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beigetragen. Das mit Abstand wichtigste Segment am Gesundheitsimmobilieninvestmentmarkt stellten mit einem Marktanteil von 65 Prozent Pflegeheime dar. Gefragt seien aber auch Ärztehäuser, Medizinische Versorgungszentren und das Segment des betreuten Wohnens. Angesichts der alternden Bevölkerung in Deutschland und des zunehmenden Pflegemangels werde die Nachfrage nach wohnwirtschaftlich genutzten Gesundheitsimmobilien wie Pflegeheimen, betreutem Wohnen und Servicewohnen sowie nach Immobilien der Primär- und Sekundärversorgung in den kommenden Jahren weiter steigen. Der hohe Finanzierungsbedarf für neue Anlagen und Revitalisierungen könne nur mit privatem Kapital realisiert werden. Die defensive und konjunkturunabhängige Eigenschaft der Anlageklasse mit sehr verlässlichen und langfristigen Cashflows mache Gesundheitsimmobilien auch für Social Impact Funds zunehmend attraktiv.
Als Hemmnis wirke sich Mangel an investitionsfähigen Produkten und das knappe Angebot an Grundstücken für den Bau neuer Anlagen aus. Zudem stünden die knappen Flächen in deutlichem Wettbewerb mit anderen Nutzungsarten, insbesondere in Ballungsräumen. Der stark ausgelastete Bausektor und die gestiegenen Gestehungskosten für Neubauten schafften ebenso wie der Fachkräftemangel und die steigenden Personalkosten weitere Engpässe. Die teilweise geringen Investitionsvolumina bei kleineren Objekten entsprächen nicht immer den Anforderungen institutioneller Investoren. Dennoch führe deren Interesse zu einer weitere Profilierung der Anlageklasse, insbesondere im Hinblick auf die höheren Anforderungen an Standards und Transparenz. Der Betreibermarkt konsolidiere sich aufgrund der großen Mergers & Acquisitions-Transaktionen internationaler Akteure in der Vergangenheit weiter und sorge so für nachhaltige Betreiberstrukturen und Margen.
[Prof. Martin Ingold, Stephanie Schäfer, Dr. Thomas Beyerle]
ESG als Wettbewerbsfaktor in Investorenentscheidungen
„Im Hinblick auf die Covid-19-Pandemie scheinen die langfristigen Folgen des Klimawandels in den Hintergrund geraten zu sein. Doch das Thema ESG bleibt trotz aktueller Herausforderungen und wirtschaftlichen Risiken der richtungsweisende Megatrend in der Immobilienwirtschaft“, erläuterte Professor Thomas Beyerle, Managing Director der Catella Property Valuation. Die EU wolle bis 2050 Klimaneutralität erreichen. Daher habe der europäische Gesetzgeber umfassende Anforderungen an das Thema Nachhaltigkeit in den drei Dimensionen Environmental, Social and Governance, kurz ESG-Kriterien, formuliert. Das Ziel der EU im Finanz- und Anlagebereich sei es, privates Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken. Mit einem umfassenden Bündel an Regulierungen sollten Risiken aus den Bereichen ESG und Klimaschutz im Risikomanagement der Unternehmen und Gesellschaften verankert werden. Auch die gesellschaftlichen Verflechtungen kreierten Druck, durch verantwortungsvolle Unternehmensführung latente soziale Probleme anzugehen, sei es durch die Bereitstellung von sozialem Wohnungsraum, Pflegeheimen oder Kinderbetreuungsmöglichkeiten. All diese Immobilientypen stünden nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Kern der Regulierungen seien die Offenlegungsverordnung und die Taxonomie-Verordnung. Bei Fonds und anderen Anlageprodukten erfolge eine Einteilung in drei Gruppen: Fonds mit ESG-Merkmalen in der Anlagestrategie („Art. 8-Fonds“), Fonds mit Impact Investing („Art. 9-Fonds“) und die anderen Fonds ohne ESG-Merkmale („Art. 6-Fonds“). Die Einstufung nehme wesentlichen Einfluss auf den Umfang der Offenlegungspflichten, um „Green Washing“ zu vermeiden.
Der Immobiliensektor sei für rund 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich. Bis 2030 werde ein Anstieg des CO2-Ausstoßes um bis zu 56 Prozent erwartet. Auch sozio-ökonomische Trends führten künftig zu einer Verschlechterung der Klimabilanz. Bis 2030 wachse die Weltbevölkerungen auf über acht Milliarden Menschen, 65 Prozent davon lebten dann in Städten. In der Folge benötigten allein die 750 größten Städten 260 Millionen neuer Wohneinheiten und 540 Millionen Quadratmeter neue Büroflächen. Hinzu kämen steigende Umweltrisiken wie Starkregen, Hitze und Stürme, die bereits heute für einen Großteil der Schäden an Immobilien verantwortlich seien.
Für die Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden biete die EU-Taxonomie daher ein Klassifizierungssystem. Als Instrument helfe sie Investoren, Unternehmen und Projektträger die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens umzusetzen. Allerdings müsse Nachhaltigkeit immer als Prozess verstanden werden, erst dann als ein Produkt. Die Ausrichtung an den ESG-Kriterien sichere die Wertstabilität der Immobilien aufgrund der Energie-Effizienz und sorge darüber hinaus für weniger Volatilität in der Fondsperformance. Nachhaltige Objekte böten das Potenzial für höhere Mieten, Renditen und Verkaufsumsätze. Grüne Gebäude würden künftig zum Marktstandard. „Klassische“ Immobilien riskierten aufgrund der Aussichten auf zukünftige Energieeffizienzmaßnahmen in der Gunst lukrativer Mieter zu sinken und als Stranded Asset zu enden.
Marktwerte für ältere Fertighäuser sachgerecht ermitteln
„Die Wertermittlung älterer Fertighäuser stellt selbst erfahrene Sachverständige vor Herausforderungen, da es kaum Vergleichswerte gibt“, konstatierte Stephanie Schäfer, öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Immobilienbewertung. Ältere Fertighäuser wiesen Besonderheiten an Fassade, Deckenplatten, Fenstern, Innentreppen und Wandstärken auf und seien häufig durch einen spezifischen Geruch gekennzeichnet. Eine Menge Informationen böte der Blick in die Baubeschreibung. Außenwände wiesen häufig Asbestzementplatten auf, das Holz eine Tränkung mit Holzschutzmitteln wie PCP, TeCP und Lindan, mit denen von 1956 bis 1989 nach DIN 68800 alle tragenden Bauteile hätten behandelt werden müssen. In der Luft befänden sich Abbauprodukte von Chloranisolen und Formaldehyd als Schadstoffe, die den spezifischen muffigen Geruch erzeugten. Als typische Probleme älterer Fertighäuser klassifizierte Schäfer weiterhin die Schallübertragung, die geringe Tragfähigkeit der Wände, die Empfindlichkeit der Materialien und höhere Sanierungskosten. So koste beispielsweise im Rahmen eines Schadstoffgutachtens die Messung für gängige Luftschadstoffe von zwei Zimmern 1.000 Euro netto, für Holzschutz, Formaldehyd, Chloranisole, Essig- und Ameisensäure rund 1.750 Euro netto und die Erarbeitung eines Sanierungskonzepts liege bei etwa 5.000 Euro. Zur Beseitigung der Geruchs- und Schadstoffbelastung, der Entsorgung der belasteten Fassade bei gleichzeitiger Erhöhung der Dämmung entstünden Kosten in Höhe von 500 bis 600 Euro pro Quadratmeter Fassadenfläche. Für eine Komplettsanierung eines 1,5 geschossigen Einfamilienhauses mit 170 bis 180 Quadratmeter Wohnfläche durch eine Spezialfirma seien Kosten von rund 300.000 Euro einzuplanen. Angesichts dieser Sanierungskosten biete häufig ein Abriss die wirtschaftlichere Alternative. Allerdings entstünden auch in diesem Fall höhere Kosten aufgrund der Entsorgung als Sondermüll, für ein Einfamilienhaus summierten sich diese schnell auf 40.000 bis 65.000 Euro.
Banken finanzierten derartige Objekte bei festgestellten Belastungen nur mit verbindlich vereinbartem Sanierungskonzept. In der Wertermittlung fänden sich in der Beleihungswertverordnung (BelWertV) keine Hinweise zur Berücksichtigung derartige Besonderheiten. Daher gebe es bei den Banken keine verbindliche Vorgehensweise. Neben der Verkürzung der Gesamtnutzungsdauer, dem Ansatz einer einfacheren Ausstattung würden auch interne Vergleichswerte herangezogen. In einer Befragung von 270 Gutachterausschüssen und oberen Gutachterausschüssen, mit einem Rücklauf von 91 vollständig ausgefüllten Online-Fragebögen, hätten sich 37 Prozent für einen Ansatz kürzerer Nutzungsdauern und 28 Prozent für geringere Normalherstellungskosten ausgesprochen. Eine Minutenumfrage beim Branchenverband IVD unter 535 Maklern und Sachverständigen vom März 2022 habe gezeigt, dass gut 74 Prozent der Marktakteure einen Abschlag gegenüber massiv gebauten Häusern bestätigen. Die Höhe der Abschläge gestalte sich abhängig von der Wirtschaftskraft der Region. „Eine Mehrheit von 41,8 Prozent sahen einen Abschlag zwischen elf und 20 Prozent gemessen am Wert von massiven Häusern aus demselben Baujahr als marktgerecht an“, so Schäfer. Als Empfehlung für die Berücksichtigung bei der Verkehrswertermittlung nannte Schäfer die Ausstattungsklasse tiefer anzusetzen, Baukostenabschläge vorzunehmen und sich ein Schadstoffgutachten vorlegen zu lassen.
Anpassungsbedarf bei Verkehrswertgutachten in Bezug auf die ImmoWertV 2021
„Die Geschwindigkeit der Änderungen im Markt hat deutlich zugenommen. Mit der jüngsten Novellierung der ImmoWertV besteht entsprechender Anpassungsbedarf in den Gutachten“, erläuterte Professor Martin Ingold, Professur für Immobilienwirtschaft/Schwerpunkt Immobilienbewertung am Freiburger Center for Real Estate Studies (CRES). Die neue Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) umfasse fünf Abschnitte mit insgesamt 54 Paragraphen und fünf Anlagen: Allgemeines (§§ 1 – 11), für die Wertermittlung erforderliche Daten (§§ 12 – 23), besondere Grundsätze zu den Wertermittlungsverfahren (§§ 24 – 39), Bodenwertermittlung; grundstücksbezogene Rechte und Belastungen (§§ 40 – 52) sowie die Schlussvorschriften (§§ 53 + 54).
Der Anpassungsbedarf mit deskriptivem Charakter umfasse die Gliederungspunkte allgemeine Angaben, Grundstück und bauliche Anlagen, solche mit bewertungstechnischem Charakter die Teile Wertermittlung und Anlagen. Laut Paragraf 10 Absatz 1 der Immobilienwertverordnung (ImmoWertV) sei der Grundsatz der Modellkonformität zu beachten. In der neuen ImmoWertV seien drei Bewertungsverfahren normiert, das Vergleichswertverfahren (§§ 24 bis 26), das Ertragswertverfahren (§§ 27 bis 34 ) und das Sachwertverfahren (§§ 35 bis 39). Allerdings sei auch die Anwendung anderer Verfahren nun möglich und zulässig. Soweit notwendig, gelte es bei der Anwendung der normierten Verfahren gemäß Paragraf 8 Absatz 3 ImmoWertV besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale (boG) zu berücksichtigen. Bei diesen handle es sich um wertbeeinflussende Grundstücksmerkmale, die nach Art oder Umfang erheblich von dem auf dem jeweiligen Grundstücksmarkt Üblichen oder erheblich von den zugrunde gelegten Modellen oder Modellansätzen abwichen. Das für die Wertermittlung anzuwendende Verfahren richte sich gemäß Paragraf 6 ImmoWertV nach der Art des Bewertungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten.
Bodenrichtwerte seien vorrangig im Vergleichswertverfahren zu ermitteln (§ 14 Abs. 1 ImmoWertV 2021). Gemäß Paragraf 40 Absatz 2 ImmoWertV könne neben oder anstelle von Vergleichspreisen ein objektspezifisch angepasster Bodenrichtwert Verwendung finden. Die Regelungen zur Gesamt- und Restnutzungsdauer seien nun in Paragraf 4 definiert. In den in Anlage 1 aufgeführten Modellansätzen für die Gesamtnutzungsdauer seien die Angaben in Bandbreiten weggefallen. Paragraf 53 Absatz 1 stelle klar, dass die ImmoWertV 2021 für alle Gutachten, die ab dem 1. Januar 2022 erstellt würden, Anwendung fände, auch wenn der Wertermittlungsstichtag vor diesem Datum läge. Paragraf 53 Absatz 2 stehe den Gutachterausschüssen eine Übergangsregelung bei der Anwendung der in den Anlagen eins und zwei festgeschriebenen Modellansätzen bis zum 31.12.2024 zu. „Insgesamt gesehen weist die neue ImmoWertV wenig materielle Neuerungen auf“, so das Fazit von Professor Ingold.
Wertermittlung von Grundstücken mit Altlasten
„Das Thema Altlasten umfasst neben der Schadstoffbelastungen von Boden und Grundwasser auch die Gebäudeschadstoffe und die Abfallentsorgung“, berichtete Rudolf Höhl, CEO der Umwelttechnik Gesellschaft in Villingen-Schwenningen. In der Verkehrswertermittlung würden Altlasten als besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale berücksichtigt. „Ohne Prüfung der Altlastensituation ist die Wertermittlung nicht als Verkehrswert zu qualifizieren, da eine wesentliche wertbeeinflussende Komponente möglicherweise nicht berücksichtigt ist“, so Höhl. Für die Ermittlung der Schadstoffbelastung, die Bewertung der Gefahrenlage, die Abstimmung mit den Behörden, die Auswirkungen auf die Nutzung sowie die Berücksichtigung des Abfallrechts und des Arbeitsschutzes könnten erhebliche Kosten und Zeitaufwand entstehen. Er riet zu einem interdisziplinärer Ansatz und einer Zusammenarbeit von Umweltexperten und Bauexperten zur Senkung von Unsicherheit und Kostenrisiken, wobei es im Verantwortungsbereich des Immobilienbewerters liege, über die Notwendigkeit eines Schadstoffgutachtens zu entscheiden. Dieser könne seine Entscheidung dabei auf die Angaben im Altlastenkataster, die konkrete Nachfrage beim Grundstückseigentümer, die Ortsbegehung und den Branchenkatalog, insbesondere für Flächen, die nicht im Kataster stünden, stützen. Neben Schadstoffen im Boden könnten auch Gebäude spezifische Schadstoffen wie Asbest aufweisen. Diese Fasern seien bis in die 1990er Jahre in mehr als 3.000 Produkte gemischt worden. Für ein Viertel bis ein Drittel aller Gebäude, die vor 1995 errichtet worden seien, schätze der Gesamtverband Schadstoffsanierung ein potenzielles Asbestproblem. Eine schadstoffbedingte Wertminderung erfordere eine differenzierte Betrachtung. Das Bundesbodenschutzrecht gebe den Behörden das Recht, nach eigenem Ermessen den Verursacher, den Grundstückseigentümer oder den Vorbesitzer für die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr wie Untersuchungs- oder Sanierungskostenkosten heranzuziehen. Bisher gebe es keine abgestimmten Grenzwerte beim Boden- und Grundwasserschutz, der Abfallbeseitigung und der Verwertung von Boden und Bauschutt. Das werde sich ab August 2023 mit Inkrafttreten der Mantelverordnung mit ihren aufeinander abgestimmten Grenzwerten, ändern. Bei Abbruchmaßnahmen schreibe die Verordnung künftig ein Gutachten über Gebäudeschadstoffe zwingend vor, auch für nicht gewerblich genutzte Wohn- und Bürogebäude. Das Risiko für unentdeckten Belastungen hänge vom Bearbeitungsstand der Altlastenerkundung, dem Fortschritt von laufenden Sanierungsmaßnahmen und der Sanierungsdauer bei In-Situ-Sanierungsmaßnahmen ab. Auch nach erfolgter Altlastensanierung bleibe für Altlastengrundstücke häufiger ein Stigma bestehen, das bei einer verringerten Verwertbarkeit als merkantiler Minderwert zu berücksichtigen sei. „Senken Sie Ihr eigenes Haftungsrisiko durch die aktive Auseinandersetzung mit dem Thema Altlasten. Schalten Sie frühzeitig erfahrene Fachgutachter mit ein. Denken Sie dabei an den notwendigen Zeitbedarf und die teilweise nicht unerheblichen Kosten. Weisen Sie Ihre Kunden, gleichgültig ob Käufer oder Verkäufer, eindringlich auf die Notwendigkeit der Klärung des Themas Altlasten und Schadstoffbelastung von Boden und Gebäude hin. Mit an die Standortsituation angepassten Schadstoffuntersuchungen lassen sich die schadstoffbedingten Risikofaktoren für alle senken“, lautete Höhls Appell an alle Immobilienwertermittler.
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